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Handbuch der Rechtsförmlichkeit / Inhalt / Teil C – Ziffer 6

Teil A: Vorbemerkungen zur Rechtsprüfung
  Teil B: Allgemeine Empfehlungen für das Formulieren von Rechtsvorschriften  
  Teil C: Stammgesetze – erstmalige Regelung bestimmter Sachverhalte  
  1. Die Überschrift des Stammgesetzes  
  2. Das Ausfertigungsdatum  
  3. Die Eingangsformel des Stammgesetzes  
  4. Inhaltsübersicht  
  5. Gliederung des Stammgesetzes  
  6. Übergangsvorschriften  
  7. Folgeänderungen  
  8. Zitiergebot nach Artikel 19 GG bei Grundrechts-einschränkungen  
  9. Geltungszeitregeln  
  10. Die Schlußformel  
  Teil D: Änderungsgesetze  
  Teil E: Rechtsverordnungen  
  Teil F: Formulierungshilfen für die Änderung von Gesetzentwürfen im Gesetzgebungsverfahren  
  Teil G: Bekanntmachung der Neufassung von Gesetzen und Rechtsverordnungen  
 
  Teil C: Stammgesetze – erstmalige Regelung bestimmter Sachverhalte
  6. Übergangsvorschriften
 
429 

Gesetze entfalten ihre volle Wirkung, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, für die Zeit nach dem Inkrafttreten. Dies bedeutet, daß sie von diesem Zeitpunkt an unterschiedslos Rechtsverhältnisse, die bereits bestehen, und Rechtsverhältnisse, die erst nach dem Inkrafttreten des Gesetzes entstehen werden, erfassen. Dies kann in manchen Fällen sogar geboten sein. Oft ist aber ein schroffer Übergang von einem Rechtszustand auf einen anderen nicht möglich, weil aus verfassungsrechtlichen oder sonstigen Gründen Rücksicht auf bestehende Rechtsverhältnisse zu nehmen ist. Hier bedarf es einer Übergangsregelung, in der festgelegt wird, wie die bestehenden Rechtsverhältnisse zu behandeln sind.

430 

Ob eine Übergangsregelung erforderlich ist, hängt von der Rechtsmaterie ab, die geregelt werden soll, und muß durch eine konkrete Bedarfsprüfung ermittelt werden. Daher kann nicht allgemein empfohlen werden, für welche Gesetze eine Übergangsregelung vorgesehen werden soll. Folgende Faustregeln sollten jedoch beachtet werden:

431 

Stets ist abzuwägen zwischen dem Vertrauen, das in den Fortbestand von Rechtsverhältnissen gesetzt wird, und dem Interesse des Staates an der sofortigen Durchsetzung einer Regelung. Je dringender das Anliegen des Gesetzgebers ist, das er mit der Neuregelung verfolgt, und je zwingender die Notwendigkeit ihres sofortigen Verwaltungsvollzugs ist, desto mehr spricht für eine sofortige Anpassung der Rechtsverhältnisse an die neuen Vorschriften.

432 

Die Notwendigkeit einer Übergangsregelung kann sich unmittelbar aus Grundrechten ergeben. Aus Artikel 12 Abs. 1 des Grundgesetzes folgt z. B. die Notwendigkeit von Übergangsregelungen, wenn der Zugang zu oder das Verbleiben in einem Beruf neu geregelt wird.

433 

Trotz einer am Grundgesetz orientierten Abwägung besteht ein großer Spielraum bei der Gestaltung von Übergangsregelungen. In vielen Fällen reicht es aus, die Anwendung eines neuen Gesetzes oder einzelner Vorschriften auf bestehende Rechtsverhältnisse auszuschließen bzw. die Anwendung auf nach dem Inkrafttreten entstehende Rechtsverhältnisse zu begrenzen. Die An- bzw. Nichtanwendung des neuen Gesetzes auf bestehende Rechtsverhältnisse kann jedoch auch von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht werden.

 

Dies können sowohl Stichtage und Ereignisse vor Inkrafttreten des Gesetzes als auch die Erfüllung bestimmter Anforderungen nach seinem Inkrafttreten sein. In diesen Fällen genügt es, das neue Gesetz mit einem Selbstzitat anzuführen, z. B. „Die Vorschriften dieses Gesetzes finden Anwendung ...“.

    Beispiele:
   

„§ 1 ist nicht auf Größenangaben anzuwenden, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes im geschäftlichen oder amtlichen Verkehr gemacht worden sind.“

   

„Antragsteller, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes eine Ausbildung als Rettungssanitäter nach dem 520-Stunden-Programm erfolgreich abgeschlossen oder mit einer solchen Ausbildung begonnen und diese nach Inkrafttreten des Gesetzes erfolgreich abgeschlossen haben, erhalten eine Erlaubnis nach § 1, wenn sie eine mindestens 2000 Stunden umfassende Tätigkeit im Rettungsdienst abgeleistet haben und die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 und 3 vorliegen.“

   

„Wer bei Inkrafttreten dieses Gesetzes ein Heim im Sinne des § 1 betreibt, hat den Betrieb innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes der zuständigen Behörde anzuzeigen.“

   

„Dieses Gesetz gilt für Ansprüche aus Taten, die nach seinem Inkrafttreten begangen worden sind. Darüber hinaus gelten die §§ 1 bis 7 für Ansprüche aus Taten, die in der Zeit vom 23. Mai 1949 bis 15. Mai 1976 begangen worden sind, ...“

434 

Ein bloßes Selbstzitat des Gesetzes ist nicht ausreichend, wenn ein gespaltenes Inkrafttreten vorgesehen ist. Dann muß eindeutig zum Ausdruck gebracht werden, an welchen der vorgesehenen Inkrafttretenstermine die Übergangsvorschrift anknüpft. Zu diesem Zweck kann entweder der gemeinte Inkrafttretenszeitpunkt genau umschrieben werden („Inkrafttreten dieses Gesetzes nach § ...Abs. ...“ oder „Inkrafttreten des § ... dieses Gesetzes“). Anwenderfreundlich ist es, das jeweilige Datum konkret oder durch einen Datierungsbefehl zu bezeichnen.

435 

Soll in der Übergangsvorschrift an das Inkrafttretensdatum angeknüpft werden und ist dieses durch einen Datierungsbefehl (Rn. 484) bestimmt, kann auch in der Übergangsvorschrift mit Datierungsbefehlen gearbeitet werden.

    Beispiel:
   

Der Datierungsbefehl in der Inkrafttretensvorschrift lautet „... tritt am (einsetzen: Datum des ersten Tages des dritten auf die Verkündung folgenden Kalendermonats) in Kraft ...“. Übergangsvorschriften können dann etwa wie folgt formuliert werden:

   

„Anlagen, die nach dem (einsetzen: Datum des ersten Tages des neunten auf die Verkündung folgenden Kalendermonats) errichtet werden, dürfen nur betrieben werden, wenn ...“ (Übergangsfrist: sechs Monate)

   

„Abweichend von Absatz 6 sind die Anforderungen des § 11 Abs. 1 bei Anlagen, die im Beitrittsgebiet vor dem 3. Oktober 1990 errichtet worden sind, spätestens bis zum (einsetzen: Angabe des Tages und Monats des Inkrafttretens dieser Verordnung sowie der Jahreszahl des zehnten auf das Inkrafttreten folgenden Jahres) einzuhalten.“ (Übergangsfrist: zehn Jahre)

436 

Übergangsvorschriften werden in der Regel in einem Paragraphen zusammengefaßt, der in die Schlußvorschriften des Stammgesetzes gehört. Die Übergangsvorschriften sind von den Inkrafttretensvorschriften strikt zu trennen. Sind Paragraphenüberschriften vorgesehen, lautet die Überschrift „Übergangsregelungen“ oder „Übergangsvorschriften“, sofern nicht gegenstandsbezogene Überschriften gebildet werden können.

437 

Ist abzusehen, daß das Gesetz häufigen Änderungen unterliegen wird, die jedesmal vergleichbare Übergangsregelungen erfordern, sollte geprüft werden, ob nicht eine „ständige“ Übergangsregelung (Blankettnorm) gebildet werden kann.

    Beispiel:
   

§ 73 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes, der durch Artikel 1 Abs. 1 Nr. 7 des Gesetzes vom 9. Dezember 1986 (BGBl. I S. 2326) angefügt wurde:

   

„(1) In Rechtsstreitigkeiten, die vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung anhängig geworden sind, werden die Kosten nach bisherigem Recht erhoben. Dies gilt nicht im Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung eingelegt worden ist ...“

438 

Die Blankettnorm kann die Abwicklung von Altfällen nach altem Recht auch an ein Ereignis knüpfen, das den Einschnitt zwischen altem und neuem Recht markiert.

    Beispiel:
   

„Die Kosten sind ausschließlich nach dem Recht zu berechnen, das zum Zeitpunkt der Auftragserteilung gilt.“

Auch in einer Blankettnorm kann das Fortgelten des alten Rechts schließlich – wie in jeder anderen Übergangsregelung – an besonders festgelegte Voraussetzungen geknüpft werden.