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Teil B: |
Allgemeine Empfehlungen für das Formulieren von Rechtsvorschriften |
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6. |
Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen |
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6.1 |
Ermächtigung der Exekutive |
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321 |
Der Gesetzgeber kann die Exekutive ermächtigen, zur Ergänzung und zur Ausführung der Vorschriften eines Stammgesetzes Rechtsverordnungen zu erlassen. Dies ist z. B. sinnvoll, um Gesetze von Detailregelungen zu entlasten oder um Vorschriften schneller an bereits vorhersehbare Veränderungen anpassen zu können. Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Ermächtigungsnormen und an die Verordnungen ergeben sich aus Artikel 80 des Grundgesetzes.
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322 |
Der Gesetzgeber kann selber keine Verordnungen erlassen. Wird im Rahmen eines Mantelgesetzes eine Verordnung neu geschaffen, hat dieser vom Gesetzgeber beschlossene Rechtsakt Gesetzesrang, auch wenn er als Verordnung bezeichnet wird. Denn Regelungen, die in dem vom Grundgesetz vorgesehenen Gesetzgebungsverfahren zustande kommen und wirksam werden, sind Gesetze (vgl. Rn. 15). Die Bezeichnung als Verordnung ist irreführend, da sie nicht dem Rechtscharakter der Regelung entspricht. Bei so geschaffenen Verordnungen besteht außerdem stets die Gefahr, daß einzelne Regelungen über bestehende Ermächtigungsgrundlagen hinausgehen, so daß sie, auch wenn für sie eine vollständige Entsteinerung (Rn. 704) vorgesehen würde, nicht in allen Teilen geändert werden können. Wegen des Verstoßes gegen den Grundsatz der Rechtsklarheit und wegen ihrer Fehleranfälligkeit sind solche Gesetze im Verordnungsgewand abzulehnen und deshalb in Gesetzentwürfen der Bundesregierung nicht vorzusehen.
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323 |
Eine bestehende Verordnung kann auch durch ein Gesetz geändert werden, wenn dies im Einzelfall erforderlich ist. Die geänderten Teile der Verordnung haben dann Gesetzesrang. Um dieses Nebeneinander zu vermeiden, sollten Verordnungen möglichst im Verordnungswege geändert werden. Damit auch durch Gesetz geänderte Teile einer Verordnung wieder durch Verordnung geändert werden können, ist in das Änderungsgesetz eine Entsteinerungsklausel (Rn. 704) aufzunehmen.
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324 |
Adressaten einer Verordnungsermächtigung können nach Artikel 80 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen sein. Die Bezeichnung Bundesminister steht hier für die oberste Bundesbehörde, nicht für den Behördenleiter oder das Regierungsmitglied. Ein Landesminister kann durch Bundesgesetz nicht unmittelbar ermächtigt werden. Soweit nachkonstitutionelle Bundesgesetze oberste Landesbehörden zum Erlaß von Verordnungen ermächtigten, wurden diese Ermächtigungen durch das Gesetz über Rechtsverordnungen im Bereich der Gerichtsbarkeit vom 1. Juli 1960 (BGBl. I S. 481) oder durch das Gesetz über Ermächtigungen zum Erlaß von Rechtsverordnungen vom 3. Juli 1961 (BGBl. I S. 856) auf die Landesregierungen übergeleitet.
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325 |
Ein Bundesgesetz kann auch mehrere Bundesministerien zum Erlaß gemeinsamer Verordnungen ermächtigen. Gemeinsame Verordnungen mehrerer Landesregierungen oder von Landesregierungen und der Bundesregierung oder Bundesministerien sind nicht zulässig.
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326 |
Soll zum Erlaß von Ministerverordnungen ermächtigt werden, ist in der Ermächtigungsnorm als Ermächtigungsadressat das jeweilige Bundesministerium zu nennen. Die Ermächtigungen zum Erlaß von Rechtsverordnungen sind an die obersten Bundesbehörden zu richten, für die seit dem Beschluß des Bundeskabinetts vom 20. Januar 1993 (GMBl S. 46) die sächliche Bezeichnung Bundesministerium für/des/der ... zu verwenden ist.
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327 |
Die Bundesministerien sind in der Ermächtigungsnorm mit ihrer vollständigen amtlichen Bezeichnung anzugeben. Es reicht nicht aus, das zuständige Ministerium zu ermächtigen. Enthält ein Paragraph oder Artikel eines Gesetzes mehrere verschiedene Ermächtigungen für dasselbe Ministerium, braucht das ermächtigte Ministerium in der Vorschrift nur einmal mit seiner vollständigen Bezeichnung angeführt zu werden. Sollen in nachfolgenden Paragraphen oder Artikeln des Gesetzes weitere Ermächtigungsgrundlagen für dieses Bundesministerium geschaffen werden, ist es dort wieder mit seiner vollständigen Bezeichnung zu nennen. Es empfiehlt sich nicht, in einer Ermächtigungsnorm oder einer anderen Bestimmung des Gesetzes das zuständige Bundesministerium zu bestimmen und in den anderen Ermächtigungsnormen nur noch die Bezeichnung Bundesministerium zu verwenden. Dies führt zu unvollständigen Ermächtigungsnormen, die dann stets gemeinsam mit der Vorschrift zitiert werden müssen, die die allgemeine Bestimmung über den Ermächtigungsadressaten enthält.
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6.2 |
Anforderungen an die Ausgestaltung der Ermächtigungsnorm |
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328 |
Bei der Formulierung von Ermächtigungsnormen ist das Bestimmtheitsgebot des Artikels 80 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes zu beachten. Danach müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen im Gesetz bestimmt werden.
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329 |
Die Anforderungen an die Bestimmtheit von Ermächtigungsnormen hängen im
einzelnen vom Regelungsgegenstand und von der Eingriffsintensität ab. An Regelungen,
die den Bürger belasten und den Grundrechtsbereich betreffen, sind hohe
Anforderungen zu stellen. Dies gilt besonders für das Steuerrecht und für die
Fälle, in denen zum Erlaß von straf- und bußgeldbewehrten Vorschriften ermächtigt
wird. Weniger strenge Maßstäbe sind anzulegen im Bereich begünstigender
Regelungen und bei Ermächtigungen, die nur die Verwaltungsorganisation betreffen.
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330 |
Die Ermächtigung soll nach § 32 Abs. 1 Satz 2 GGO II so gefaßt werden, daß sich voraussehen läßt, in welchen Fällen und mit welchem Ziel von ihr möglicherweise Gebrauch gemacht wird und welchen Inhalt die zu erlassenden Rechtsverordnungen haben können. In jedem Fall muß die Ermächtigungsnorm das Wort Rechtsverordnung enthalten (§ 32 Abs. 1 Satz 5 GGO II).
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331 |
Jede Ermächtigungsnorm ist selbständig zu formulieren und darf sich nicht auf eine Verweisung auf bereits bestehende Ermächtigungen beschränken. Bevor neue selbständige Ermächtigungsnormen geschaffen werden, sollte stets geprüft werden, ob sich die geplante Verordnungsermächtigung nicht in eine bereits bestehende Ermächtigungsgrundlage einfügen läßt.
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6.3 |
Verpflichtung oder Ermessen zum Erlaß von Rechtsverordnungen |
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332 |
Die Formulierung der Ermächtigungsnorm sollte klar erkennen lassen, ob der
Ermächtigungsadressat verpflichtet sein soll, von der Ermächtigung, unter Umständen
bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, Gebrauch zu machen, oder ob ihm ein
Ermessen eingeräumt ist.
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333 |
Enthält die Ermächtigungsnorm z. B. die Formulierung Das Bundesministerium ... wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ... oder Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung ..., so bleibt die Entscheidung, ob und in welchem Umfang von der Ermächtigung Gebrauch gemacht wird, grundsätzlich dem Ermächtigungsadressaten selbst überlassen.
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334 |
Kein Entscheidungsspielraum bleibt bei Formulierungen wie ... hat durch Rechtsverordnung Bestimmungen über ... zu erlassen. Auch wenn von notwendigen Durchführungs- und Ausführungsbestimmungen die Rede ist, ergibt sich daraus die Pflicht, eine entsprechende Rechtsverordnung zu erlassen. Jedoch drücken auch Formulierungen wie erläßt oder bestimmt durch Rechtsverordnung die Pflicht aus, von der Ermächtigung Gebrauch zu machen, denn erläßt oder bestimmt sind als imperatives Präsens zu verstehen.
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335 |
Unter Umständen kann es sachgerecht sein, die Ermächtigung zu befristen.
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Beispiel: |
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„... wird bis zum ... ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu regeln.“
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Nach Ablauf der Frist wird die Ermächtigung gegenstandslos und kann nicht mehr
genutzt werden. Das Außerkrafttreten der Ermächtigung hat auf den Fortbestand der
auf ihrer Grundlage erlassenen Verordnungen grundsätzlich keinen Einfluß.
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6.4 |
Gestattung der Subdelegation |
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336 |
In der Ermächtigungsnorm kann nach Artikel 80 Abs. 1 Satz 4 des Grundgesetzes vorgesehen werden, daß die Ermächtigungsadressaten die Ermächtigung durch Verordnung weiter übertragen können (sog. Subdelegation). Im Wege der Subdelegation kann die Ermächtigung zum Erlaß von Verordnungen auch auf andere als die in Artikel 80 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes genannten staatlichen Stellen übertragen werden, wie z. B. einzelne Landesministerien, sonstige Bundesbehörden oder Bundesanstalten. Die Subdelegatare sind in der Ermächtigungsnorm konkret zu benennen. Als Subdelegatare sollten im Gesetz stets die Ministerien oder die anderen Behörden und Anstalten genannt werden, nicht die Leiter der Behörden und Anstalten.
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337 |
Mit der Übertragung der Verordnungsermächtigung kann grundsätzlich auch den Subdelegataren das Recht eingeräumt werden, die ihnen übertragene Verordnungsermächtigung durch Rechtsverordnung weiter zu übertragen (Sie können diese Befugnis/ Ermächtigung durch Rechtsverordnung weiter übertragen), so daß mehrfache Subdelegationen möglich werden.
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338 |
Auf Grund einer Subdelegationsermächtigung können nur die Ermächtigungsadressaten ausgetauscht werden. Die in der Ermächtigungsnorm festgelegten Mitwirkungsrechte und Zustimmungserfordernisse können durch die Subdelegation nicht verändert werden. Wurde die Verordnungsermächtigung auf einen Subdelegatar übertragen, hat dieser bei seiner Verordnungsgebung das in der Ermächtigungsnorm vorgesehene Verfahren einzuhalten und die Mitwirkungsrechte und Zustimmungserfordernisse zu beachten.
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339 |
Die Möglichkeit der Subdelegation sollte nur dann vorgesehen werden, wenn dies nach dem Regelungsgegenstand sachgerecht erscheint. Zweckmäßig sind Subdelegationen, wenn Sachverhalte geregelt werden sollen, die regional verschieden sind oder spezielle Fachkenntnisse erfordern. Regelungen für solche Sachverhalte können durch die ortsnäheren oder die mit einer Regelungsmaterie dauernd befaßten Verwaltungsbehörden oft einfacher getroffen werden, da sie mit den regionalen oder den fachlichen Besonderheiten besser vertraut sind.
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Beispiel: |
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§ 8 Abs. 4 Satz 4 des Gesetzes zur Umstellung von Schuldverschreibungen auf Euro vom 9. Juni 1998 (BGBl. I S. 1242, 1250):
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„Die Landesregierungen können diese Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen
übertragen.“
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340 |
Auch wenn die Ermächtigungsnorm die Subdelegation ermöglicht, so ist die ermächtigte Stelle nicht gehindert, selbst von der Verordnungsermächtigung Gebrauch zu machen. Dies gilt auch dann, wenn sie die Verordnungsermächtigung auf einen Subdelegatar weiter übertragen hat.
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6.5 |
Mitwirkungsrechte bei der Verordnungsgebung |
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341 |
In der Verordnungsermächtigung können ergänzend zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen zusätzliche Regelungen über das Verfahren der Verordnungsgebung getroffen werden, insbesondere anderen Stellen Mitwirkungsrechte eingeräumt werden. Die Formen möglicher Mitwirkung reichen von bloßen Anhörungsrechten bis zu Zustimmungsvorbehalten. Mitwirkungsrechte, die kein Mitentscheidungsrecht geben, wie z. B. Anhörungsrechte, können staatlichen Stellen und Privaten eingeräumt werden.
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342 |
Die Mitwirkung Dritter bei der Verordnungsgebung kann sinnvoll sein, um besonderen Sachverstand oder besondere Erfahrung für die Rechtsetzung zu nutzen. Durch Mitwirkungsrechte Dritter kann das Verfahren der Verordnungsgebung aber u. U. länger dauern und erheblich schwerfälliger werden. Durch jede zusätzliche gesetzliche Anforderung wird das Verfahren der Verordnungsgebung fehleranfälliger. Ein Verstoß gegen gesetzlich vorgeschriebene Mitwirkungsrechte kann zur Nichtigkeit der Verordnung führen.
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343 |
Es sollte deshalb vor der Einräumung von Mitwirkungsrechten bei der Verordnungsgebung stets sorgfältig geprüft werden, ob und inwieweit diese für die zu erlassenden Verordnungen erforderlich sind. Um den Sachverstand und die Erfahrung der beteiligten Fachkreise und Verbände, der Länder und Kommunen zu nutzen, müssen in der Ermächtigungsnorm keine besonderen Anhörungsrechte vorgesehen werden. Nach § 67 in Verbindung mit § 24 GGO II können bei Verordnungen der Bundesregierung und von Bundesministerien die Vertretungen der beteiligten Fachkreise gehört werden. Die kommunalen Spitzenverbände sollen gehört werden, wenn Belange der Gemeinden und Gemeindeverbände berührt werden (§ 25 GGO II); die Länder sind zu hören, wenn ihre Belange berührt werden (§ 26 GGO II).
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344 |
Sollen besondere Mitwirkungsrechte vorgesehen werden, so sind in der Ermächtigungsnorm alle Stellen, die beim Erlaß der Rechtsverordnung zu beteiligen sind, abschließend aufzuführen und die Art ihrer Beteiligung genau anzugeben. Der Gesetzgeber darf sich bei der Regelung der Mitwirkung nicht auf Bestimmungen beschränken, die dem Verordnungsgeber die Entscheidung zuweisen, welche Stellen er in welchem Umfang bei der Verordnungsgebung beteiligt. Körperschaften, Behörden, Verbände oder Gremien und andere Stellen, die bei der Verordnungsgebung mitwirken sollen, sind so genau wie möglich zu bezeichnen. Unbestimmte Sammelbezeichnungen wie Verbände und Sachverständige der beteiligten Wirtschaft, die beteiligten Kreise oder zuständige Fachbehörden reichen regelmäßig nicht aus.
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Fehlbeispiel: |
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§ 7a des Gefahrgutbeförderungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung
vom 29. September 1998 (BGBl. I S. 3115):
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„(1) Vor dem Erlaß von Rechtsverordnungen nach §§ 3, 6 und 7 sollen Sicherheitsbehörden
und -organisationen angehört werden, insbesondere
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1. |
das Bundesamt für Strahlenschutz,
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2. |
die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung,
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3. |
das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin,
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4. |
die Physikalisch-Technische Bundesanstalt,
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5. |
das Robert Koch-Institut,
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6. |
das Umweltbundesamt,
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7. |
das Wehrwissenschaftliche Institut für Werk-, Explosiv- und Betriebsstoffe
und
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8. |
das Eisenbahn-Bundesamt.
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(2) Verbände und Sachverständige der beteiligten Wirtschaft einschließlich
der Verkehrswirtschaft sollen vor dem Erlaß der Rechtsverordnungen nach Absatz
1 gehört werden. Das Bundesministerium für Verkehr bestimmt den jeweiligen
Umfang der Anhörung und die anzuhörenden Verbände und Sachverständigen.“
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6.6 |
Mitwirkung des Bundestages |
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345 |
In einigen Gesetzen ist eine Beteiligung des Bundestages vor Erlaß der Rechtsverordnung
vorgesehen worden. Dies betrifft sowohl Rechtsverordnungen, die ohne
Zustimmung des Bundesrates erlassen werden können, als auch Rechtsverordnungen,
die nur mit Zustimmung des Bundesrates erlassen werden dürfen.
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346 |
Dabei wurde die Beteiligung des Bundestages an der Verordnungsgebung unterschiedlich
geregelt. Es gibt z. B. Rechtsverordnungen, die nur mit Zustimmung des
Bundestages erlassen werden dürfen, und Rechtsverordnungen, die auf Verlangen
des Bundestages aufzuheben sind.
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347 |
Einige Verordnungsermächtigungen räumen dem Bundestag das Recht ein, Verordnungen vor ihrer Verkündung zu ändern oder abzulehnen. Diese Ermächtigungsnormen bestimmen, daß Rechtsverordnungen, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, vor ihrer Verkündung dem Bundestag zuzuleiten sind. Der Bundestag kann sie durch Beschluß ändern oder ablehnen. Der Verordnungsgeber ist an diesen Beschluß gebunden. Hat der Bundestag sich innerhalb einer bestimmten, in der Ermächtigungsnorm festgelegten Frist nicht geäußert, wird die Rechtsverordnung unverändert verkündet.
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Beispiel: |
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§ 292 Abs. 4 des Handelsgesetzbuchs:
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(4) Die Rechtsverordnung ist vor der Verkündung dem Bundestag zuzuleiten. Sie kann durch Beschluß des Bundestages geändert oder abgelehnt werden. Der Beschluß des Bundestages wird dem Bundesministerium der Justiz zugeleitet. Das Bundesministerium der Justiz ist bei der Verkündung der Rechtsverordnung an den Beschluß gebunden. Hat sich der Bundestag nach Ablauf von drei Sitzungswochen seit Eingang der Rechtsverordnung nicht mit ihr befaßt, so wird die unveränderte Rechtsverordnung dem Bundesministerium der Justiz zur Verkündung zugeleitet. Der Bundestag befaßt sich mit der Rechtsverordnung auf Antrag von so vielen Mitgliedern des Bundestages, wie zur Bildung einer Fraktion erforderlich sind.
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348 |
Bei Rechtsverordnungen, die mit Zustimmung des Bundesrates zu erlassen sind, dürfen Beteiligungsrechte des Bundestages das im Grundgesetz vorgesehene Verfahren und Zustimmungsrecht des Bundesrates nicht beeinträchtigen. Dem Bundestag kann die Möglichkeit der Änderung und Ablehnung nur vor der Zuleitung der Verordnung an den Bundesrat eingeräumt werden. Deshalb ist festzulegen, daß die Rechtsverordnung zunächst dem Bundestag zuzuleiten ist, der sie innerhalb einer in der Ermächtigungsnorm zu bestimmenden Frist durch Beschluß ändern oder ablehnen kann. Ferner muß festgelegt werden, daß die Rechtsverordnung dem Bundesrat nach der Beteiligung des Bundestages zuzuleiten ist. Denn der Bundesrat entscheidet kraft seines Zustimmungsrechts über die Fassung, die die Rechtsverordnung nach der Beteiligung des Bundestages erhalten hat.
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Beispiel: |
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§ 9 Abs. 4 des Düngemittelgesetzes, der durch Artikel 4 Nr. 8 des Gesetzes vom
27. September 1994 (BGBl. I S. 2705) eingefügt worden ist:
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(4) Die Rechtsverordnungen nach Absatz 3 sind dem Bundestag zuzuleiten. Die Zuleitung erfolgt vor der Zuleitung an den Bundesrat. Die Rechtsverordnungen können durch Beschluß des Bundestages geändert oder abgelehnt werden. Der Beschluß des Bundestages wird der Bundesregierung zugeleitet. Hat sich der Bundestag nach Ablauf von drei Sitzungswochen seit Eingang der Rechtsverordnung nicht mit ihr befaßt, so wird die unveränderte Rechtsverordnung dem Bundesrat zugeleitet.
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349 |
Die Bundesregierung ist gegenüber Ermächtigungsnormen zurückhaltend, die eine
Beteiligung des Bundestages vorschreiben. Dies gilt insbesondere für Ermächtigungsnormen
mit Änderungsvorbehalten für den Bundestag. Solche Ermächtigungsnormen
sollten in Regierungsentwürfen nicht vorgesehen werden. Sie führen zu einer unerwünschten Vermischung der Aufgaben von Parlament und Regierung und zu einer unnötigen Komplizierung des Verordnungsverfahrens. Dem Modell der Rechtsetzung durch Gesetz und durch Verordnung entspricht es, daß Rechtssätze entweder vom Parlament in Form eines Gesetzes oder aber auf Grund gesetzlicher Ermächtigung von der Exekutive in Form einer Rechtsverordnung erlassen werden. Die Trennung der Aufgaben und der Verantwortung von Parlament und Regierung wird beeinträchtigt, wenn der Verordnungsgeber beim Erlaß von Verordnungen an einen Parlamentsbeschluß gebunden wird. Das Parlament kann Text und Inhalt der Verordnung mitbestimmen, die der Regierung als Verordnungsgeber zugerechnet wird. Außerdem kann es in Fällen, in denen eine Rechtsverordnung der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundestag und Bundesrat kommen, die den Erlaß der Verordnung erschweren oder sogar unmöglich machen.
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6.7 |
Zustimmung des Bundesrates |
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350 |
Soll die Ermächtigungsnorm Teil eines Gesetzes sein, das der Zustimmung des Bundesrates
unterliegt oder das von den Ländern ausgeführt wird, so sollte in der
Ermächtigungsnorm gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 GGO II ausdrücklich geregelt werden,
ob die Rechtsverordnung der Zustimmung des Bundesrates bedarf oder nicht. Dasselbe
gilt nach § 32 Abs. 2 Satz 2 GGO II für Ermächtigungen zum Erlaß von Rechtsverordnungen
über die in Artikel 80 Abs. 2 des Grundgesetzes bezeichneten Gegenstände
(Postwesen, Telekommunikation und Eisenbahnwesen).
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351 |
Zustimmungsbedürftig nach Artikel 80 Abs. 2 des Grundgesetzes sind grundsätzlich Rechtsverordnungen der Bundesregierung oder eines Bundesministeriums
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a) |
über die Grundsätze und Gebühren für die Benutzung der Einrichtungen des
Postwesens und der Telekommunikation,
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b) |
über die Grundsätze der Erhebung des Entgelts für die Benutzung der Einrichtungen
der Eisenbahn des Bundes und für den Bau und Betrieb der Eisenbahn,
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c) |
auf Grund von Bundesgesetzen, die
– der Zustimmung des Bundesrates bedürfen oder
– von den Ländern im Auftrag des Bundes oder
– von den Ländern als eigene Angelegenheiten ausgeführt werden.
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352 |
Die Zustimmungsbedürftigkeit einer Verordnung nach Artikel 80 Abs. 2 des Grundgesetzes greift aber nur vorbehaltlich anderweitiger bundesgesetzlicher Regelungen ein. Sie kann durch Bundesgesetz ausgeschlossen werden. In die Ermächtigungsnorm gehört in solchen Fällen ein ausdrücklicher Hinweis, daß die Zustimmung des Bundesrates nicht gewollt ist.
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Beispiele: |
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§ 55 Abs. 6 des Bundesbesoldungsgesetzes:
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(6) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Dienstorte den Stufen des Auslandszuschlags zuzuteilen; dabei sind die aus den Besonderheiten des Dienstes und den Lebensbedingungen im Ausland folgenden besonderen materiellen und immateriellen Belastungen in der Lebensführung zu berücksichtigen. Die Rechtsverordnung bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates.
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§ 4 Abs. 1 des Pflichtversicherungsgesetzes:
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(1) Um einen dem Zweck dieses Gesetzes gerecht werdenden Schutz sicherzustellen, bestimmt das Bundesministerium der Justiz unter Beachtung gemeinschaftsrechtlicher Verpflichtungen sowie des Europäischen Übereinkommens vom 20. April 1959 über die obligatorische Haftpflichtversicherung für Kraftfahrzeuge (BGBl. 1965 II S. 281) im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen und dem Bundesministerium für Verkehr durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates den Umfang des notwendigen Versicherungsschutzes, den der Versicherungsvertrag zu gewähren hat.
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353 |
Wird in der Ermächtigungsnorm die Zustimmungsbedürftigkeit der Rechtsverordnung
ausgeschlossen, löst diese Bestimmung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes aus, mit dem diese
Ermächtigungsnorm geschaffen wird.
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354 |
Von der Möglichkeit, die Zustimmung des Bundesrates auszuschließen, sollte nur
zurückhaltend Gebrauch gemacht werden. Sinnvoll kann der Ausschluß der Zustimmung
bei weniger bedeutenden Verordnungen sein, um den Bundesrat zu entlasten
oder um für kritische Lagen eine schnelle Verordnungsgebung sicherzustellen.
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Beispiel: |
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§ 7 Abs. 2 des Tierseuchengesetzes:
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(2) Das Bundesministerium kann Rechtsverordnungen nach den Absätzen 1 und 1a bei Gefahr im Verzuge oder, wenn ihr unverzügliches Inkrafttreten zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft erforderlich ist, ohne Zustimmung des Bundesrates erlassen. Sie treten spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft. Ihre Geltungsdauer kann nur mit Zustimmung des Bundesrates verlängert werden.
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355 |
Soll die Zustimmungsbedürftigkeit nicht ausgeschlossen werden, so sollte gemäß § 32 Abs. 2 GGO II in der Ermächtigungsnorm gleichwohl klargestellt werden, daß die Zustimmung erforderlich ist. Die Aussage hat allerdings nur deklaratorische Bedeutung, da sich die Zustimmungsbedürftigkeit von Rechtsverordnungen bereits unmittelbar aus Artikel 80 Abs. 2 des Grundgesetzes ergibt.
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